Wie wird die Kultur Wiens Migrant_innen vermittelt? Der Dokumentarfilm ZUSAMMENLEBEN begleitet Neuzuwander_innen aus unterschiedlichsten Ländern bei ihrem ersten Schritt über die Schwelle in ein neues Land. Welche Vorstellungen haben Migrant_innen von Wien? Welche Informationen und »Werte« werden in den Integrationskursen angesprochen und welche nicht?
Es gab einmal einen Ort in Wien, wo man das Zusammenleben studieren und erlernen konnte. Unter dem Schirm der Stadt Wien wurden in einem EU-geförderten Gemeinschaftsprojekt Module entwickelt, um geflüchteten Menschen, aber auch generell Neuzugezogenen eine Orientierung in der Stadt zu erleichtern: Der Alltag sollte sich selbstbestimmt gestalten lassen mithilfe von Geflüchteten als Expertinnen und Experten. Die EU-Förderung ist ausgelaufen, geblieben ist ein Film von Thomas Fürhapter, der mit Judith Benedikt und Klemens Koscher an der ruhigen Kamera das Kursprogramm durchpflügt, den Menschen beim Erarbeiten von Lösungsansätzen zuhört und vor allem: mit Hingabe Gesichter anblickt.
Denn schön sind sie alle. Man denkt an Warhols Porträtfilme und wünscht sich, länger zu verweilen. Neben allem, was Menschen mit sich herumtragen, erzählt jedes Antlitz auch von einer Öffnung, einer Hoffnung, einer Überwindung, sonst wäre man nicht hier. Neben Neugier, Unsicherheit steht vielen Skepsis ins Gesicht geschrieben, manche sind offen traumatisiert, es gibt Tränen; andere sind da, weil „Es gibt immer Dinge, an die man nicht denkt“. In einer Sequenz in Gebärdensprache wird Polygamie erörtert, eine Polizistin in Zivil erklärt, was es mit „No Means No“ auf sich hat, Grußgesten, Begräbnisrituale stehen ebenso auf dem Programm wie eine ausufernde Toilettendiskussion. Auch der Klogang ist ein Ritual. Es wird viel gelacht: die österreichische Fahne als Hijab tragen – ein bedenkenswerter Beitrag zur Kopftuchdebatte? „Leute hier sind anders, in Wien sollten Sie sogar zu Straßenfegern höflich sein“, und „Kennen Sie Freud, der nicht zufällig in dieser Stadt gewirkt hat? Die Gedanken der Menschen hier sind einfach verwirrt.“
„Stop Look Listen“-Schilder finden sich oft noch an US-Bahnübergängen. „Look Listen Learn“, so könnte die Übertragung auf den zwischenmenschlichen Verkehr lauten. Welche Schlüsse dann jeder für sich ziehen mag, liegt an den persönlichen Umständen, aber der Anfang wäre gemacht, um einander ernst zu nehmen.
(Regina Schlagnitweit)
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Regie
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Buch
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Kamera
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Schnitt
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TonAndreas Hamza
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Produzent
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ProduktionsleitungSusanne Berger
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Produktionsfirma