„Nach der Geburt haben wir nur die Option, zu lindern oder zu helfen. Und vor der Geburt haben wir noch eine dritte Option: zu töten. Die Pränatalmedizin ist der einzige Bereich in der Medizin, in dem wir töten können.“
Wenn man Eltern fragt, was ihnen im Leben am wichtigsten ist, dann ist die häufigste Antwort: „Dass meine Kinder gesund sind.“ Nicht nur wissenschaftliche Neugier, auch dieser zutiefst menschliche Drang, unseren Nachwuchs zu beschützen, ist es, der die stetige Entwicklung der Pränataldiagnostik antreibt: Die Untersuchung von Föten und schwangeren Frauen, um schon frühzeitig eventuelle Krankheiten oder Behinderungen festzustellen, via Ultraschall, Blutanalyse bis zu invasiven Methoden wie Fruchtwasseranalyse oder Biopsie. Das Risiko, ein Kind mit Behinderung zur Welt zu bringen, liegt bei etwa 3% – ein Sechstel davon kann schon vor der Geburt diagnostiziert werden.
„Wenn man vor 50 Jahren ein behindertes Kind bekommen hat, dann hat man das akzeptieren müssen. Heute können sich Frauen entscheiden, ob sie das Kind bekommen wollen oder nicht. Die Pränataldiagnostik vergrößert den Entscheidungsspielraum.“
Doch umfassenderes Wissen und größerer Entscheidungsspielraum bringen auch größere Verantwortung mit sich. Wenn die werdenden Eltern mit der Nachricht, dass ihr Kind höchstwahrscheinlich oder sicher behindert zur Welt kommen wird, konfrontiert werden, liegt es an ihnen – bzw. der Mutter – die Entscheidung zwischen Tod und Leben zu treffen. Unsere Gesellschaft fordert diese Entscheidung, und verlangt auch, direkt oder indirekt, von den Betroffenen Rechtfertigung. Doch die Last der Entscheidung, deren mittelbare und unmittelbare Konsequenzen, werden von der Gesellschaft nur zu einem kleinen Teil übernommen, und liegen fast völlig auf den Schultern der Frau.
Filmemacher Thomas Fürhapter lenkt den Blick auf ein Problemfeld, das wir als Gesellschaft gerne ignorieren. Hypnotische, wie drastische Bilder aus dem Alltag von Schwangeren, Eltern und Betreuern von behinderten Kindern ergänzt er auf der Tonebene durch vorgelesene Zitate aus Gesprächen mit Betroffenen, Wissenschaftlern und Medizinern. Auf diese Weise wird Schicht um Schicht der Blick freigeräumt auf grundsätzliche Fragen zu Geburt, Normierung und Lebensoptimierung.
Aus verschiedenen Perspektiven wird so erfahrbar, wie in unserem Alltag ganz normale Menschen mit einer Ausnahmesituation umgehen, die eigentlich gar keine ist. Wie sich die Selbstbestimmung der einen auf das Lebensrecht der anderen auswirkt. Wie „Normalität“ definiert wird, und jedes echte Anderssein in der Schublade „Defekt, nicht gut genug, unbrauchbar“ verstaut wird. Und wie gleichzeitig zutiefst dramatisch und emotionslos routiniert damit umgegangen wird, der Normalität ihre Macht zurückzugeben.
DIE DRITTE OPTION ist ein filmischer Essay, der keine Fragen beantwortet – und sich auch nicht anmaßt, ein moralisches Urteil zu fällen. Aber er traut sich, die Fragen, die sich bei diesem brisanten Thema auftun, laut und klar zu stellen. Allen voran: Sind wir eigentlich noch normal?
Text: Gini Brenner
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Regie
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Buch
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KameraJudith Benedikt, Manuel Zauner
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Schnitt
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Dramaturgie
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Produzent