Hans Andreas Guttner (1945-2025)

Eintrag vom 3. Mai 2025

 

Wir trauern um den Filmemacher und unser langjähriges dok.at Mitglied Hans Andreas Guttner.

Als einer der ersten Kinodokumentarfilmer widmete sich Guttner mit seiner preisgekrönten Pentalogie „Europa - ein transnationaler Traum“ (1979-1996) dem Schicksal von Gastarbeiterfamilien in Deutschland. Die Filme dieser Reihe, "Alamanya Alamanya – Germania Germania" (1979), "Familie Villano kehrt nicht zurück" (1980/81), "Im Niemandsland" (1983/84), "Dein Land ist mein Land" (1988/89) und "Kreuz und quer" (1994/96), zeichnen ein vielschichtiges Bild der Herausforderungen und Hoffnungen von Menschen im Spannungsfeld zwischen ihrer Herkunft und ihrer neuen Heimat.

Neben seinen Migrationsfilmen beschäftigte sich Guttner auch mit weiteren Fragen des gesellschaftlichen und menschlichen Miteinanders. In "Bei Tag und bei Nacht" (2014/16) porträtierte er das Leben seines Bruders, eines Landarztes in Kärnten, und thematisierte die Herausforderungen des ländlichen Gesundheitswesens. Mit "Die Burg" (2018/19) gewährte Guttner einen seltenen Einblick in das Innenleben des Wiener Burgtheaters, während ihm mit "Art comes from Need" (2010) ein intimes Porträt des weltberühmten Malers Sean Scully gelang.

Sein letzter Film "Tiergarten" kam 2024 in die Kinos und zeigt auf poetische und berührende Weise die Konsequenzen des weltweiten Artensterbens. Guttner verzichtete in seinen Werken bewusst auf belehrende Kommentare und ließ stattdessen die Bilder und Töne für sich sprechen. So trugen seine Filme mit dazu bei, starre, konventionelle Erzählformen zu überwinden und den Dokumentarfilm als eine eigene künstlerische Film- und Ausdrucksform zu etablieren. Auch über sein filmisches Schaffen hinaus verhalf Guttner dem Dokumentarfilm zu wachsender Anerkennung, indem er Anfang der 80er Jahre das Internationale Dokumentarfilmfestival München initiierte.

Hans Andreas Guttner verstarb am 14. April völlig unerwartet. Er selbst wird in Erinnerung bleiben, als ein sensibler Chronist unserer Zeit, der mit Empathie und Feingefühl die Geschichten der „Fremden unter uns“ erzählte, dabei stets den Dialog suchte und gesellschaftliche Relevanz und künstlerische Tiefe vereinte.

Unser tief empfundenes Beileid gilt seiner Familie, seiner Tochter, der Künstlerin und Filmemacherin Camilla Guttner, und allen Freund:innen.
Im Namen des dok.at-Vorstands & dok.at-Teams
sowie zahlreichen Mitgliedern von dok.atBiografieHans Andreas Guttner, geboren am 6. Mai 1945 in St. Christophen, Österreich, war ein deutsch-österreichischer Dokumentarfilmemacher. Aufgewachsen in Feld am See (Kärnten), Matura in Villach, Studium der Rechts-, Zeitungs- und Theaterwissenschaften in Wien und München. Seit Ende der 70er Jahre prägte er den deutschsprachigen Dokumentarfilm maßgeblich mit. Guttners Filme wurden international mehrfach ausgezeichnet und bleiben als wichtige Zeugnisse europäischer Zeitgeschichte erhalten. Erst kürzlich wurden sie ins Deutsche Filmerbe aufgenommen.

Filmografie

Labyrinth (1976)
Kiosk (1977)
Alamanya Alamanya - Germania Germania (1979)
Familie Villano kehrt nicht zurück (1981)
The kings of the whole wide world (1983)
Im Niemandsland (1984)
Dein Land ist mein Land (1989)
Die Fuhre (1991)
Kreuz und quer (1996)
Eine Kerze für die Madonna (1997)
Die Megaklinik (2004)
Der Basar von Urfa (2006)
Ömer - Der Schneiderjunge von Urfa (2008)
Glückliche Reise (2009)
Sean Scully - Art comes from Need (2010)
Bei Tag und bei Nacht (2014/16)
Die Burg (2018/19)
Tiergarten (2024)