In Linz / Martinskirche geht ein Mann in die gleichnamige Kirche und sieht sie sich an. Edith Stauber´s Animationsfilm dauert drei Minuten und ist ein einigermaßen symmetrisch gebautes, realistisches Stimmungsprotokoll. Die Zeichnungen sind bunt, unprätentiös, direkt. Es ist Frühling. Die Bäume, die vor der Kirche stehen, blühen, Vögel schwirren von Ast zu Ast und zwitschern. Der Mann macht mit seinem Smartphone ein Foto. Vor dem Eintritt in eine von Österreichs ältesten Kirchen passiert er ein Auto, ein ÖVP Plakat und die Denkmalschutztafel. Innen ist es dunkel, hinter der Eingangstür gleich eine weitere, verschlossen. Ein Schild weist auf die Möglichkeit zu Spenden hin, ein anderes auf den Lichtschalter. Der Mann betätigt den Lichtschalter, das Innere der Kirche wird sichtbar, sein Blick gleitet entlang der Fresken und Glasfenster. Er macht ein zweites Foto. Das Licht, das an einem Zeitschalter hängt, geht aus, der Mann wirft eine Spende ein und verschwindet.
Eigentlich sollte das der Höhepunkt sein: die Wahrnehmung / Präsentation alles dessen, was es in diesem historisch so signifikanten Bauwerk zu sehen gibt. Wir alle kennen solche Inszenierungen von Kirchen und deren Innenräumen aus Filmen oder dem Fernsehen: bedeutungsschwanger, erhaben, festlich ... Die Anordnung, die uns Linz / Martinskirche vor Augen führt, steht in krassem Gegensatz dazu. Der Blick des Mannes ist ungerührt, die Vögel, das ÖVP Plakat, die Schilder in der Kirche erhalten gleich viel Aufmerksamkeit wie hunderte Jahre alten Fresken und Glasfenster. Die historische Signifikanz geht nicht mehr mit einer Hierarchie der Bedeutung einher. Im Zeitalter der digitalen Reproduzierbarkeit nicht nur von Kunstwerken, sondern auch der Wirklichkeit, schiebt sich ein Bild neben das andere – oder auch darüber. Die Kirche und das Foto der Kirche unterscheiden sich nur durch ihren Rahmen. Alles ist gleichberechtigt und auch gleich schal, ohne Tiefe. Das erste Bild spiegelt das letzte, die Außenansicht der Martinskirche im Frühling, aber auch seine eigene Reproduktion. (Sylvia Szely)
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Regie