Lettre á Mohamed

A, B, TUN / 2013 / Dokumentarfilm / 35 min

 

„Frei seit dem 14. Jänner 2011“– so steht es auf T-Shirts, die Menschen in Tunesien eine Weile stolz trugen. An dem genannten Tag verließ der Despot Ben Ali das Land, und es begann eine neue Geschichte der Freiheit, aus der Christine Moderbacher in ihrem Dokumentarfilm Lettre à Mohamed Stichproben nimmt. Da sind etwa die Kinder, die in den Ruinen eines Hauses spielen, in dem jemand einen polemischen Satz an die Wand gesprüht hat: „Vom Volk stehlen, um so eine hässliche Baracke zu bauen“. Unter Ben Ali hatte sich eine kleine Elite schamlos auf Kosten des Volkes bereichert, nun gibt es Hoffnungen auf Freiheit, Demokratie, Gerechtigkeit, und (auch dieser Aspekt spielt eine wichtige Rolle) auf die Rückkehr der Touristen. Wie könnte die Freiheit aussehen? Es müsste eine Freiheit sein, die nicht von oben kommt wie ein Geschenk. 1956 nahm Präsident Bourguiba den Frauen eigenhändig das Kopftuch ab, wie es Christine Moderbacher mit einem historischen Filmausschnitt zeigt: „Was einer gibt, kann ein anderer nehmen“, sagt sie aus dem Off.

Lettre à Mohamed ist ein filmischer Brief an einen Freund in Belgien, an Mohamed, der Tunesien verließ. „Flüchten“ und „sich verbrennen“ haben im Arabischen dieselbe Wortwurzel – das Feuer. So verbindet Christine Moderbacher ihren Brief an Mohamed mit dem Namen, mit dem die tunesische Revolution begann: mit Mohamed Bouazizi, der sich selbst verbrannte. Dieser Film steht im Zeichen einer Ernüchterung, doch die Bilder tragen die Spur eines Feuers in sich, das jederzeit neu entfacht werden kann.

(Bert Rebhandl)