Kick Out Your Boss

A / 2014 / Dokumentarfilm / 95 min

 

Sobald aus Arbeit Leidenschaft wird, befindet sich der Arbeitsbegriff in Auflösung, heißt es. Weltweit finden sich Beispiele, die einer solchen Neudefinition des Arbeitsverständnisses zuspielen: partizipative Firmenmodelle mit flachen Hierarchien und hohem Identifikationspotenzial; Vorschläge, wie der populistisch proklamierten Entfesselung der Wirtschaft eine sinnbildliche (arbeitszeitliche) Angestelltenentfesselung ent- gegenstellt werden könnte; alternative Ansätze und Diskussionsbeiträge.
Als ebensolcher versteht sich auch Kick Out Your Boss.

Elisabeth Scharang lässt Begleiter/innen dreier unkonventioneller Firmenbiografien in Brasilien, Serbien und Österreich
zu Wort kommen. Sie stellt deren Meinungen in einem offenen (Diskussions-)Raum nebeneinander und lässt dem Publikum den nötigen Platz, dazu Haltung zu beziehen. Dabei geht es ihr weniger um ein belehrendes Wie-es-denn-besser-ginge als vielmehr um ein Aufzeigen von Ideen und deren Vernetzung, die auf der dem Film zugehörigen Projektwebsite ihre Fortführung finden sol.

In Kick Out Your Boss treffen Vertreter des Grazer Design-, Technologie- und Beratungsnetzwerks En Garde auf Ricardo Semler, den ehemaligen Semco-CEO, der den brasilianischen Traditionsbetrieb mit seinem Konzept „Management ohne Manager/innen“ revolutionierte: Fixe Büroräume sind bei Semco längst obsolet, Arbeitszeiten und Vorgesetzte selbstbestimmt wählbar.

Dass der Austausch aufgeschlossener Matchwinner nicht in selbstgerechte Wirtschaftsesoterik abdriftet, gewährleistet die Filmemacherin einerseits durch ihre entwaffnenden, vermeintlich einfachen Fragen („Was macht dich glücklich?“), andererseits durch die Kontextualisierung der Geschichte des serbischen Arzneimittelerzeugers Jugoremedija: Nach jahrelangen Protesten der Belegschaft wurde der Betrieb von den streitbaren Arbeiter/innen in Selbstverwaltung übernommen. Auch in diesem Fall herrschten Wir-Gefühl und Arbeitsleidenschaft – „The factory is like home for me“ –, jedoch nicht unter den Vorzeichen von Autonomie und Selbstverwirklichung, sondern resultierend aus existenzieller Notwendigkeit.

Kick Out Your Boss verweigert die Wertung, zeigt aber auf, dass Bewegung im vorgeblich Starren möglich ist. Und dass eine solche auch positive Auswirkung auf das (Alltags-)Leben der Betroffenen hätte – auf ein Leben außerhalb der Blase. (Diagonale Katalog)