du und ich

A / 2011 / Dokumentarfilm / 103 min

 

Hiltraud Schmidt ist seit ihrer Geburt spastisch gelähmt. Vieles, was landläufig als normal gilt, ist ihr verwehrt: Sie kann nicht Auto fahren, kann nicht alleine gehen. Wenn sie spricht, verstehen sie nur die, die sie gut ken- nen. Das ist der erste Eindruck. Wer ein zweites Mal hinsieht, der erkennt hinter der körperlichen Fassade eine Frau, die bei sich angekommen ist. Hiltraud führt ein Leben vollgepackt mit kreativer Arbeit, Liebe und Freude; sie kommt ohne geschützte Werkstatt aus, braucht keine Anleitung. Gemeinsam mit ihrem nicht be- hinderten Lebenspartner Franz Bittermann gestaltet sie ihr Leben selbst. Ihre Träume werden wahr. Die Frau hinter der „Fassade Körper“ Mit du und ich hat die Filmemacherin Ruth Rieser die wahre Geschichte einer großen Liebe dokumentiert: Eine spastisch gelähmte Frau liebt einen nicht behinderten Mann und wird von ihm geliebt. Beide geben sich ganz und gar hin mit Körper, Geist und Seele. Franz war es möglich, hinter die Fassade der körperlichen Beeinträchtigung zu sehen. Hier, im Innern, ist Hiltraud eine Frau wie jede andere, mit all den Bedürfnissen, Gedanken, Wünschen und Empfindungen: Sie möchte einen Partner ohne Behinderung, will Zärtlichkeit und Sexualität – und sie will ein eigenes Haus. All das wünscht sie sich seit ihrer Kindheit, sie malt es, malt sich ihr Leben aus. Solange, bis all ihre Wünsche eines Tages Wirklichkeit sind: Erst kommt der Mann, mit dem sie bald in eine gemeinsame Wohnung zieht, in der sie sieben Jahre leben. Dann kommt das Haus. Rote Fassade – und Panoramafenster, damit man auch von außen hinein sehen kann, wenn man will. Auch heute noch entstehen die Dinge in ihrem Leben durch die geistige Kraft der beiden. Mit Hilfe von Freunden und Verwandten entwickeln sich die Dinge so, wie es für alle passt. Franz, genannt Bidi, ist nicht nur Hiltrauds Lebensgefährte. Er ist ihr Freund, ihr Vertrauter und Pfleger. Bidi legt großen Wert auf das Innenleben eines Menschen. Die Beziehung zu Hiltraud ist für ihn eine große He- rausforderung und sein beinahe einziger Lebensinhalt. Dennoch wurden in den vergangenen zehn Jahren auch seine Wünsche wahr: Heute fühlt er sich unabhängig von gesellschaftlichen Zwängen und kann sein Leben so führen, wie er es für richtig hält. „Nimm mich an, wie ich bin“ Hiltrauds und Franz’ Glück liegt im Alltag, im gemeinsamen Palatschinken-Essen, im Malen, Gärtnern, Mä- hen, Ernten. Im Sein. Auf große Worte sind sie nicht angewiesen: Mit ihren Blicken und ihrem Tun verstehen sie sich auch so. Trotzdem ist es kein Leben in Rosarot. Hiltraud hat Leid erfahren, die Erlebnisse aus der Vergangenheit trägt sie mit sich und durch ihre körperliche Beeinträchtigung muss sie täglich Abhängigkeiten, Einschränkungen und Grenzen meistern. Franz trägt all das mit, hat sich entschieden, ihr und sich das Leben möglichst leicht und schön zu machen, was beiden nicht immer gelingt. Natürlich gibt es auch die üblichen Konflikte einer Beziehung. Sie ist impulsiv und fordernd, er möchte ein ruhiges Leben. Im Haus der beiden gibt es all die Diskussionen, die tausendfach auch anderswo stattfinden: „Nimm mich an, wie ich bin und geh auf meine Bedürfnisse ein“ – „Tu du doch dasselbe und lass mir meine Freiräume“. Die beiden können sich einigen, denn sie haben gemeinsame Träume. Ruth Rieser ist es mit ihrem Debüt als Filmemacherin gelungen, das Wesen der Liebe ins Licht zu stellen. Mit jeder Filmminute rückt Hiltrauds spastische Lähmung ein Stück mehr in den Hintergrund; die Liebe und das Leben der Protagonisten werden verständlicher und selbstverständlicher. Als Hiltrauds Cousine genießt Ruth Rieser das Vertrauen beider Protagonisten. Erst diese innige Beziehung verleiht dem Film jene authentische Kraft, die ihn zu dem macht, was er ist: Ein einzigartiges Werk über die Liebe, die oft ungewohnte Wege geht. Ruth Rieser: „Ich widme den Film all jenen Menschen, die ihren Träumen folgen und die Kraft des Geistes nutzen, um sich ein erfülltes Leben zu ermöglichen, fern aller Erwartungen.“